Montag, 23. Mai 2011

Wenn das Universum zu tönen beginnt

Der 20. Mai 2011 war ein großer Tag für Hamburg. Es war der krönende Abschluss des Mahler-Zyklus, der Aufführung nahezu sämtlicher Mahler-Werke im Jubiläumsjahr. Die 8. Sinfonie - wegen ihres enormen personellen Aufwandes trägt sie seit der Uraufführung mit 1030 Musikern den Beinamen "Sinfonie der Tausend" - lockte am Freitag abend 9500 Zuhörer in die O2-World. Eigentlich fasst sie 10.000, aber da auch die Sänger aller fünf Chöre phasenweise Sitzplätze beanspruchten, waren zwei Blöcke für Zuhörer gesperrt worden. Zwei Orchester aus Hamburg und Prag sowie fünf Chöre aus beiden Städten, die gemeinsam nicht weniger als 500 Musiker umfassten, hatten am Vorabend bereits in Prag gespielt und waren dann weiter nach Hamburg gereist.
Eigentlich gibt es keine Worte, die diesem Ereignis gerecht werden. Sagenhaft, fällt mir schnell ein, oder fantastisch, traumhaft, gewaltig, überwältigend - oder eben unbeschreiblich. Wer Mahler kennt und liebt, weiß wie sehr seine Kompositionen die Welt der Sinfonie verändert haben, und in der 8. Sinfonie zeigen sich alle diese Veränderungen in ihrem ganzen Ausmaß. Eine Sinfonie, die nicht mehr vier Sätze umfasst, sondern sich in zwei Teile gliedert, von denen der zweite knapp eine Stunde dauert. Eine Sinfonie, die mit 92 Minuten ungefähr doppelt so lange dauert wie Sinfonien bis dahin dauerten. Eine Sinfonie, an der ein Chor beteiligt ist, jedoch nicht, wie üblich, am Ende, sondern gleich im zweiten Takt. Mahler selbst schrieb kurz nach der Vollendung "Es ist das Größte, was ich bis jetzt gemacht habe … Denken Sie sich, dass das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, die kreisen …“ Was soll man dem noch hinzufügen?
Außer vielleicht: die Aufführung in Hamburg unter Leitung von Christoph Eschenbach, Leiter des NDR Sinfonieorchesters, garantierte von Beginn an Gänsehaut. Eschenbach selber hatte zuvor erklärt dass in jedem Takt dieser Sinfonie soviele Emotionen steckten, dass er jedes Mal aufpassen müsse nicht überwältigt zu werden. Ja, das ist nachvollziehbar! Ich weiß nicht was beeindruckender war - die Tutti-Passagen, in denen die Energie von 500 Musikern mit aller Macht über die Zuhörer hereinbricht, oder die Piano-Passagen, in denen dieselben 500 Musiker eindrucksvoll bewiesen wie leise sie musizieren können.
Es war ein unvergleichliches Highlight und eines der Ereignisse von denen man den sprichwörtlichen Enkeln erzählen wird. Hoffentlich habe ich mal viele Enkel!

PS: Einen Höreindruck gibt es hier: http://www.ndr.de/orchester_chor/sinfonieorchester/konzerte/sonderkonzerte/sinfoniedertausend111.html